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Andacht Oktober

Jesus Christus spricht: Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Lukas 17,21 

 Wann kommt das Reich Gottes? So haben die Frommen Jesus damals gefragt, und so fragen sie bis heute. Die Männer und Frauen ebenso wie die Jungen und die Alten, die gelernt haben, sich an Gott zu halten, nach seinem Willen zu fragen und auch, ja, für ihn einzustehen. Für Gott einzustehen, sich an seinem Willen zu orientieren, das war auch zu Jesu Zeiten alles andere als selbstverständlich. Schon damals wurden die Frommen von vielen mitleidig belächelt als Leute von gestern.

Früher ging nichts ohne Gott. Da stand man mit ihm auf und ging mit ihm zu Bett. Alles brachte man mit ihn in Verbindung, und alles nahm man ohne Murren demütig aus seiner Hand. Doch inzwischen haben wir gelernt, wer die Welt regiert. Wer die Macht hat, der hat das Sagen. Was hat, so fragte man in Israel,unseren Vorfahren denn ihr Glaube geholfen? Sie mussten ohnmächtig mit ansehen, wie die Assyrer ins Land gefallen sind und ihre Götter mitgebracht haben. Dann kamen die Babylonier und zerstörten sogar den Tempel, dann die Perser. Den Tempel durften sie wiederaufbauen, aber politisch mussten sie chweigen. Und dabei ist es geblieben unter den Griechen und auch unter den Römern, die ihren Kaiser wie einen Gott verehrten. Und haben sie nicht Recht? Sein Reich umfasste so gut wie die ganze Welt, und überall htten die Menschen sich an die Gesetze zu halten, die er erlässt. Selbst ihrem Geld drückte er seinen Stempel auf und nahm den Leuten davon ab, so viel er wollte.
Und dann kommt Ihr und wollt uns etwas von Gott erzählen. Wo ist denn etwas zu spüren davon, dass der Schöpfer  des Himmels und der Erden, wenn es ihn denn gibt, sich darum kümmert was hier auf Erden geschieht? Da herrschen Macht und Geld. Und jeder muss zusehen, wie er zu seinem bisschen Leben kommt. Und wer höhere Ansprüche hat, der tut sich mit Gleichgesinnten zusammen und pflegt was dem seelischen Wohlbefinden und der geistigen Erhebung dient. Was wollt Ihr da noch mit Eurem Glauben an einen Gott, von dem man ja doch nichts mitkriegt? Höchstens, dass die Ängste der Kindheit mobilisiert werden vor einem drohenden Übervater, der alles sieht, vor dem du ständig  Angst haben musst und mit dem du dir ein schlechtes Gewissen einhandelst. Bleibt uns damit vom Leibe, und kommt mit eurem Gott erst, wenn ihr beweisen könnt, dass für den Menschen dabei auch was Anständiges herauskommt. Der eigentliche Anstoß ist, dass Gott seine Macht nicht zeigt, dass er nicht er das Sagen hat, sondern die Menschen, die damit  offenkundig überfordert sind. Denn ein Teil der Menschheit lebt im Überfluss, und der andere versinkt in Hunger, Krankheit und Armut. Wehrlose Menschen fallen dem Teufelskreis von Terror und Vergeltung zum Opfer. Nicht der Zweifel an Gott ist da das Bewundernswerte, sondern die Tatsache, dass da immer noch Menschen sind, die sich an ihn halten.

Desto verständlicher die Frage: Wann kommt das Reich Gottes? Und dann die verblüffende Antwort Jesu: Das Reich Gottes ist schon da. Es ist mitten unter euch. Lange hat man gerätselt, was damit wohl gemeint sein kann: Ob das Reich Gottes vielleicht in uns ist, in unseren inneren Werten, unserem guten Willen, gar einem göttlichen Seelenfunken? Nein: Mitten unter euch,das war Er, der das Reich Gottes mit seinen Worten und Taten verkörperte. Die einprägsamen Geschichten, die er erzählte, standen alle unter dem Vorzeichen des Reiches Gottes, mit dem er sie verglich. Deshalb nennen wir sie Gleichnisse. Und gelebt und gewirkt hat er, als sei er in diesen Gleichnissen zu Hause. Das alles ist nicht in der Vergangenheit verschwunden. Es setzt sich fort. Ich denke an die Geschichte vom barmherzigen Samariter. der einen unter die Räuber Gefallenen und halbtot Geschlagenen rettete und ihn rührend versorgt. Ihn kümmerte nicht, dass er zum Volk der Juden gehörte und als unrein betrachtete wurde. Er sah den Menschen, der Hilfe brauchte. Der wurde ihm damit zum Nächsten.  Und heute? Wenn in der Ukraine ein ganzes Volk unter die Räuber und Totschläger gerät, sind sie auch da, die Samariter. Unter den anderen Völkern des Kontinents mobilisieren sie Schutz- und Wiederaufbaumaßnahmen. Und dabei spielt es keine Rolle, wie nah oder fern einem die Ukraine und die in ihr praktizierte Orthodoxie ist. Da und in vielen anderen Notlagen in der Welt setzt sich fort und bleibt lebendig, was Jesus verkörperte: Reich Gottes mitten unter uns. 

Und wo bleibt Gott selbst dabei? Es ist still um ihn geworden. Auch da, wo Menschen sich in anderen Teilen der Welt laut und kämpferisch auf ihn berufen, wird er nicht glaubwürdiger. Weil er dazu herhalten muss, menschliche Machtstrukturen zu festigen. Doch der "stille Gott" sorgt dafür, dass die Sehnsucht nach seinem Reich nicht zur Ruhe kommt.

 Jetzt kommt die stille und dunkle Jahreszeit. Haben wir noch die Sehnsucht nach seinem Reich? Die gute Nachricht: Es ist mitten unter uns! In dieser Gewissheit wünsche ich eine gesegnete Zeit

Ihr/euer Werner Happe